Wenn Prägungen von früher dich lenken – und wie du sie loswirst

Wenn Prägungen von früher dich lenken – und wie du sie loswirst

Vor einiger Zeit kam eine Frau in meine Beratung, die nach außen wirkte, als hätte sie alles im Griff: gepflegtes und höfliches Auftreten, umfangreiche Ausbildungen und zahlreiche Titel, erfolgreich im Job, gut situiert. Und doch wirkte sie traurig, geknickt und unglücklich.

Ihre Antwort auf meine Frage, was sie zu mir führt, lautete: „Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Eigentlich müsste ich glücklich und zufrieden sein, bei all dem, was ich in meinem Leben erreicht habe. Aber ich bin es nicht. Ich habe immer das Gefühl, nichts gut genug zu machen, nicht alles zu haben, was ich brauche, zu wenig zu wissen, mehr erreichen zu müssen. Warum bin ich so?“

Gemeinsam gingen wir der Sache auf den Grund und es stellte sich im Verlauf der Beratung heraus, dass es ihre Großmutter war, die ihr das mitgegeben hatte, worunter sie heute als erwachsene Frau litt: Ihre Großmutter wurde mitten in der Kriegszeit geboren und musste ohne ihren Vater aufwachsen. Noch dazu war ihre Mutter aus einem anderen Land nach Österreich geflüchtet und beherrschte zum Zeitpunkt der Geburt ihrer Tochter die Sprache noch nicht gut genug. Also tat sie alles, was in ihrer Macht stand, um die Sprache zu erlernen, einem unterbezahlten Brot-Job nachzugehen, eine sichere Unterkunft zu haben und ihrem einzigen Kind – der Großmutter meiner Kundin – all das zu geben, was sie für ihr Aufwachsen benötigte.

Meine Kundin liebte ihre Großmutter über alles und verbrachte in ihrer Kindheit viel Zeit mit ihr, lauschte ihren Geschichten, lernte von ihren Lebenserfahrungen. Darunter eben auch, dass man immer mehr tun muss, immer mehr geben muss, immer mehr erreichen muss – um zu überleben.

Die Stimme ihrer Großmutter und ihre Erfahrungen hatten sich bei meiner Kundin eingebrannt und wirkten tief verborgen im Inneren.

Obwohl sie …

  • nicht ihre Großmutter ist,
  • die heimische Sprache perfekt beherrscht,
  • in keinem Kriegsgebiet lebt,
  • einen Mann an ihrer Seite hat, der mit ihr gemeinsam ihre Kinder großzog, und
  • beide aufgrund ihres beruflichen Erfolgs finanziell ausgesorgt haben, …

lebte sie unbewusst die Werte und die Notwendigkeiten ihrer Vorfahrin.

So eine Stimme – meist tatsächlich nicht nur eine – wirkt in jedem von uns. Und je nachdem, wie früh in unserer Kindheit wir davon geprägt wurden, desto subtiler und intensiver wirkt sie in unserem Unterbewusstsein. Denn als Kinder sind wir wie offene Gefäße – aufnahmebereit für die Lebenserfahrungen und Werte der Menschen, die uns prägen. Erst einige Jahre nach unserer Geburt lernen wir, zu filtern. Wir öffnen nur dann unser Gefäß, wenn wir wirklich etwas reinlassen und aufnehmen wollen. Doch in unserem Gefäß liegen dann meist schon so viele Dinge rum, die uns nicht dienlich sind, weil sie aus einer alten Erfahrung, einer alten Zeit, von einem anderen Menschen stammen.

Aber wir kümmern uns nicht darum, diese Prägungen zu prüfen und aus unserem Gefäß zu werfen, weil wir uns derer nicht bewusst sind. Obwohl wir diese Stimmen, die in uns wirken, nicht bewusst wahrnehmen, sind sie laut, streng, klar, unmissverständlich. Sie geben den Ton an. Sie führen uns, auch wenn wir das eigentlich gar nicht wollen.

Dass uns diese Art der inneren Führung schadet, bemerken viele Menschen bis ans Ende ihres Lebens nicht. Doch ab und an erwachen ein paar – wie ich das gern sage. Meist geht das einher mit einer körperlichen Herausforderung, einem Schicksalsschlag oder einer echten, tiefen Krise. Dann beginnen sie, sich zu hinterfragen. Sie fangen damit an, sich nach innen zu wenden, sich selbst zuzuhören und erkennen plötzlich: „Hey, das bin ja nicht ich, die/der da spricht. Das ist doch Bullshit! Das ist doch jetzt gar nicht mehr so. Das ist so nicht meine Wahrheit!“

Wenn dieser Augenblick des Erwachens gekommen ist, dann gibt es kein Zurück mehr. Dann will man diesen Stimmen auf den Grund gehen. Dann wird das Bedürfnis groß, das eigene Gefäß endlich zu leeren. Auch wenn der Weg dahin mitunter schmerzhaft ist und steinig, ist das die Befreiung, nach der sich so viele Menschen sehnen.

Erkennst du dich in diesem Artikel wieder? Wenn ja, dann frag dich:

  • Welche Stimme in dir bekommt zu viel Sendezeit?
  • Welches Zeugs liegt in deinem Gefäß herum?
  • Was von dem, was dir mitgegeben wurde, passt überhaupt nicht zu dir, weil du bist, wer du bist, und nicht irgendjemand anderer?

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Ich bin Alexandra Glander – psychologische Beraterin und kreative Prozessbegleiterin.
Mit meinem humorvollen, cartoonbasierten Beratungsprojekt „Der Jammerlappen“ helfe ich Menschen dabei, ihre inneren Saboteure zu entlarven und sich aus dem destruktiven Opfermodus zu befreien. Ich stehe für gelebtes Self-Commitment – und für radikal-ehrliche Selbsterkenntnis, die manchmal schmerzt, aber immer befreit.


Wenn du beim Lesen des Artikels an einen Punkt gekommen bist, der dich nachdenklich gemacht hat, und du das Gefühl hast, Unterstützung zu benötigen, dann kontaktier mich gern – ich biete neben meinen Selbstcoaching-Programmen natürlich auch individuelle, persönliche Beratung an.


Gern kannst du diesen Blog-Beitrag weiterleiten – an all die Menschen, an die du beim Lesen vielleicht gedacht hast.

Und falls du neugierig bist, was es mit meinem Jammerlappen-Projekt auf sich hat, dann findest du am ehesten die Antwort darauf, wenn du unverbindlich und kostenlos den Selbstcheck „Wie viel Jammerlappen steckt in dir?“ machst: https://www.alexandraglander.at/jammerlappen-check


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